Freitag, 22. September 2006

The Real Life Würzburg

Liebe Hausverwaltung,

in Anbetracht der Tatsache, dass in der Zwischenzeit die Folie vor meinem Fenster entfernt wurde und mein Gehirn auf diese Art und Weise wieder mit Sauerstoff versorgt wird, bin ich nun endlich in der Lage, mich bei Ihnen für die Möglichkeit bedanken, an dem einzigartigen Event „The Real Life: Würzburg“ teilzunehmen.

Es ist für mich etwas ganz besonderes, mein alltägliches Leben in der Herausforderung durch die besonderen Umstände zu meistern. Nachdem nun leider das Gerüst mit seinen Christo-ähnlichen Bauvorhängen wieder abgebaut werden musste, fehlt mir zwar die sozialrealistische tägliche Begegnung mit meinen Freunden, den Bauarbeitern mit liebenswertem Akzent, die mich jeden morgen um 06:03 Uhr neu mit den lieblichen Klängen ihrer Baumaschinen und schier endlosen Diskussionen über die Erlebnisse der letzten Nächte erfreuten.

Dennoch: bereits der Weg zu meiner bescheidenen Bleibe ist ein einziges Suvival-Abenteuer, das mich täglich neu fordert, mich nicht umbringt, sondern stärker macht. Den Kopf einziehen, um nicht eine unerfreuliche Begegnung mit dem Gerüst zu erleben, dann: schier unüberwindbare Erdhaufen vor dem Hauseingang, Cross-Running in Vollendung, und schließlich: das Orientierungs- und Erinnerungsvermögen schärfen: wo befindet sich in dieser Stauwolkeb
a) das Schlüsselloch in der Haustüre,
b) mein Briefkasten,
c) mein Zimmer?!
Mit jedem Tag Training mehr, fällt es mir leichter, mich mit geschlossenen Augen zu orientieren: bestimmt werde ich von dieser erworbenen Fähigkeit ein Leben lang etwas haben!

Beim letzten Besuch im Innenhof der Wohnanlage habe ich aber mit Begeisterung den dortigen Hindernisparcour für mich entdeckt: eine unvergleichliche Kombination aus Hochseilgarten und Cross-Golf-Anlage. Besonders gut hat mir die Bereicherung des Gesamtbildes durch die ganzheitlich erfahrbare Kunstinstallation aus klassisch grauen Müllcontainern in Verbindung mit einer Collage aus dem Verfall überlassenen Naturmaterialien im Gegensatz zu industriell gefertigten Verpackungsmaterialien gefallen: ein unvergessliches Erlebnis für Augen, Nase und Ohren. Das auf diese Weise ein ganz natürliches Biotop für eine reiche Anzahl von Kleinstlebewesen/ Destruenten entstanden ist, muss besonders gewürdigt werden.

Ich hoffe, dass „The Real Life: Würzburg“ noch lange nicht beendet ist, denn besonders reizvoll stelle ich mir den Anblick winterlich verschneit vor!

Mit freundlichen Grüßen,

A.


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Oder wie sollte man sonst die dreckigste Baustelle aller Zeiten beschreiben?!?!

1 Kommentar:

Karin hat gesagt…

Unsere Bauarbeitern kommen erst um 8. Aber jeden Tag, auch Samstag und Sonntag...