Sonntag, 4. November 2007

Auf ne Zigarette

Vor mir in der Bibliothek sitzt ein Lerner; tagein tagaus liest er da in seiner schweren, ledergebundenen Bibel. Wir kennen uns kaum - aber doch mit Namen! -, grüßen uns immer freundlich. Sitzen wir doch alle im selben Boot. Als ich mich endlich getraue mal nachzufragen, stellt sich raus, dass er für sein Theologie-Examen lernt – er hat katholische Religionslehre studiert. Interessant, denke ich.

Einen Tag später frage ich weiter. Warum denn ausgerechnet Theologie? Er sieht etwas genervt aus, wahrscheinlich hat er diese Frage schon zigmal gestellt bekommen – merkt dann aber, dass ich es ernst meine. Und so versucht er also, mir in wenigen Sätzen – so lange es eben dauert, sich ne Zigarette zu drehen – meine Frage zu beantworten. Und auch mein Nachhaken, ob er denn Christ sei.

Nein, sagt er. Seine Eltern seien katholisch, na gut, aber das sei es nicht. Während seiner Pubertät habe er in seinem Heimatort einen Priester gut gekannt, der damals, als das sonst niemand konnte (die Eltern schon gar nicht!) oder wollte, einen „echten Draht“ zu ihm gefunden habe.
Ein Wegbegleiter und Wegbereiter also.
Er selbst sei lange „auf der Suche“ gewesen – und habe schließlich mit Feuereifer angefangen, Theologie (und Germanistik) zu studieren.
„Aber… die Professoren an der Uni sind ja viel aufgeklärter und weltoffener und liberaler und... als die meisten ihrer Studenten.“
„Stimmt. Meistens. Leider.“ denke ich.
Nach der Zwischenprüfung habe er etwas das Interesse an der Theologie verloren, da war „der Prozess abgeschlossen“ – keine Suche mehr, einfach nichts gefunden - und Germanistik zu seinem Schwerpunkt gemacht. Aber nun ja.

Jetzt liest er
gerade zur Vorbereitung aufs NT-Examen wieder das Markusevangelium und die Johannes-Briefe. Die Zigarette ist fertig gedreht, er will nach Hause. Ich muss wieder an meinen Bib-Arbeitsplatz.


Mal wieder fasziniert von der Geschichte, die hinter und in jedem Menschen steckt, aber auch verwundert und verwirrt, bleibe ich zurück. Vielleicht auch ein bisschen traurig. Knapp vorbei ist eben doch daneben.

Das Examen dauert an.
Vielleicht können wir unser Gespräch ja demnächst fortsetzen.

2 Kommentare:

Karin hat gesagt…

Interessantes Gespräch. Höre gern eine Fortsetzung...

PJ Heidi hat gesagt…

Na, Anne. Jetzt wird es aber mal langsam Zeit deinen Blog fortzusetzen. Examen ist vorbei! Schon vergessen?? Aber wahrscheinlich ist es wie bei mir. Danach macht man soviel andere Sachen, dass man für sowas garantiert keine Zeit hat! Ich hoffe so ist es bei dir auch.

Dicken Kuss, Heidi